Gian-Marchet Colani
Ein Star vergangener Zeiten

Der Jäger Gian-Marchet Colani

Wer einen Bündner Jäger kennt, der weiss: Die Hochwildjagd ist nicht irgendein Hobby, sie ist eine Passion. Deshalb präsentieren Jäger nach erfolgreicher Jagd stolz ihre Trophäen und erzählen am Stammtisch ihre auf der Pirsch erlebten Geschichten. Aussenstehende mögen das mit einem Schmunzeln quittieren – nicht vor 200 Jahren. Damals genossen gute Jäger Kultstatus. Und einer der grössten Schweizer Jäger überhaupt war der Engadiner Gian-Marchet Colani (1772 - 1837). Von diesem sagenumwobenen Menschen wird berichtet, dass er 2’700 Gemse, dazu einige Bären und anderes Alpenwild erlegt habe. Sein Ein-Tages-Rekord soll sage und schreibe 93 Gems-Abschüsse betragen haben. Dabei kam ihm eine von ihm selbst entwickelte Jagdwaffe mit zwei Hahnen am Abzug zugute. Diese erlaubte es ihm, in kürzestem Abstand zwei Schüsse nacheinander abzufeuern. Und Übrigens: Colani pachtet einige Jahre die Berninahäuser in Pontresina, wo er das Wirtshaus betrieb.

Sogar Lucky Luke wäre neidisch auf das Schiesstalent von Colani.

Westernheld des Engadins

Über Colani selbst wurden schon zu Lebzeiten viele Halb- und Unwahrheiten erzählt, was seine Popularität nicht schmälerte – ganz im Gegenteil. Beispielsweise soll er Jäger-Konkurrenten kaltblütig ermordet haben, die sich in sein Revier im Pontresiner Rosegtal gewagt hatten. Dieses Gerücht entstand durch einen Zeitungsartikel im "Stuttgarter Morgenblatt".  Colani habe demnach fremde Jäger in seinem Gebiet getötet und deren Leichen beseitigt. Belegt ist allein, dass Colani sich unerwünschte Fremde mit Warnschüssen vom Leib hielt. Über seine beispiellose Schiesskunst kursierten ebenfalls Geschichten, die der besten Billy-the-Kid-Stories würdig sind. So soll er einem Jungen aus grosser Entfernung eine Tabakpfeife aus dem Mund geschossen haben. All diese Überlieferungen wurden von Colani selbst nie dementiert oder bestätigt. Mit gutem Grund: Dank seinem gefürchteten Image wagten sich andere Jäger aus Angst nicht in sein Jagd-Revier.

Familienmensch und Lebensretter

Durch seine Verschwiegenheit wurde Colani von seinen Zeitgenossen als manchmal finsteres und unheimliches Wesen beschrieben. Der gebürtige Pontresiner und Vater von sieben Kindern war aber kein ausgesprochener Einzelgänger und nahm auch Freunde mit auf die Jagd. Beim Volk war er als bester Jäger und Schütze weit und breit anerkannt. Dass er Menschen umgebracht haben soll, ist aus heutiger Sicht undenkbar. Dass er andererseits unter Einsatz des eigenen Lebens zahlreiche Lawinenverschüttete gerettet hat, belegen verschiedene Quellen.

Eine lebende Romanvorlage

Colani liebte Herausforderungen: So soll er im August 1835 als erster Alpinist die Ostflanke des Piz Palü zusammen mit Oswald Heer bestiegen haben. Und wurde damit Vorbild für die Figur des Markus Paltram in Jakob Christoph Heers bekanntem Roman "Der König der Bernina" (1900). Für eine andere Herausforderung bezahlte er allerdings mit seinem Leben: 1837 ging Colani die Wette ein, dass er alleine in der gleichen Zeit eine Wiese mähen könne wie die zwei besten Tiroler Mäher. Die Wette gewann er zwar, doch wurde er als Folge der Anstrengung krank und starb. Seine sagenumwobene Geschichte lebt indes heute noch weiter.